Apr 19 2020

PolitischeGeschaefte.DIJ@be.ch
Direktion für Inneres und Justiz 
Münstergasse 2
3011 Bern

Unterseen, 10. April 2021


Vernehmlassung zur Änderung des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG)


Sehr geehrte Frau Regierungsrätin, sehr geehrte Damen und Herren

Die IG ländlicher Raum ist ein überparteilicher Verein mit dem Ziel, den ländlichen Raum als attraktiven, lebenswerten und wirtschaftlichen Lebensraum zu erhalten. Zahlreiche – primär ländliche Gemeinden – sind Mitglied der IG. 
Wir schätzen die Gelegenheit zur Vernehmlassung zur VRPG-Revision und haben folgende Bemerkungen:

Art. 42a /42b E-VRPG und indirekte Anpassungen dazu
Die Prüfung eines Fristenstillstands bot die interessante Gelegenheit zur vertieften Auseinandersetzung mit dieser Frage. Wir empfehlen nun aber, auf die Einführung eines Fristenstillstands ganz allgemein zu verzichten, und zwar aus vier Gründen: 
-    Immer wieder wird im Kanton die Forderung nach einer Beschleunigung der Verfahren erhoben. Zu Recht: Nur ein zügiges Verfahren ist ein gutes Verfahren. Gerade Baubewilligungs- bzw. Baubeschwerdeverfahren und Ortsplanungsverfahren dauern heute viel zu lange. Die Einführung eines Fristenstillstands würde nun aber zu einer nochmaligen Verlängerung der Verfahren führen, allein im Sommer droht eine Verlängerung von einem Monat (Stillstand 15.7. - 15.8.). Das ist nicht hinnehmbar.
-    Zweitens führen die Ausnahmen vom Fristenstillstand zu Unsicherheiten. Zwar wäre in der Rechtsmittelbelehrung auf Ausnahmen vom Fristenstillstand hinzuweisen (Art. 42b Abs. 4 E-VRPG). Gerade bei mehrschichtigen Anfechtungsobjekten würde ein solcher Verweis aber womöglich nicht ausreichen.
-    Drittens besteht auch aus Gründen der Rechtsharmonisierung kein zwingender Grund zur Einführung eines solchen Stillstands: In der ZPO, im ATSG, im BGG und im VwVG gilt grundsätzlich ein gesetzlicher Fristenstillstand, in der StPO aber nicht. Auch die Kantone haben in ihren Verwaltungsrechtspflegegesetzen keine einheitliche Regelung und schliesslich sind auch die bestehenden Fristenstillstandsregelungen im Bundesrecht aufgrund der unterschiedlichen Rechtsmaterien nicht immer identisch.

-    Viertens lässt sich ein wertungsmässig befriedigendes Ergebnis, wo Ausnahmen vom Fristenstillstand gerechtfertigt sind und wo nicht, fast nicht finden. Aus unserer Sicht wäre bspw. zwingend, bei Ortsplanungen (Teil- und Totalrevision baurechtliche Grundordnung, ÜO) vom Fristenstillstand abzusehen, der Entwurf enthält hier aber keine Ausnahmeregelung. Das unterstreicht letztlich, dass die einzig sinnvolle Lösung der gänzliche Verzicht auf die Einführung eines Fristenstillstands darstellt.

Art. 104 Abs. 4 E-VPRG (Anregung)
Wir schlagen vor, dass Gemeinden i.S.v. Art. 2 GG, welche Teil- und Totalrevisionen der Ortsplanungen verabschiedet haben (baurechtliche Grundordnung, ÜO), im Beschwerdeverfahren künftig bei Obsiegen auch einen Parteikostenersatz bei anwaltlicher Vertretung geltend machen können. Die Art. 104 Abs. 4 VRPG zugrunde liegende Annahme, dass die Gemeinde über vorbestehende Strukturen verfügt, welche die Wahrnehmung ihrer Interessen im Beschwerdeverfahren hinreichend ermöglicht, trifft zumindest im Fall kleinerer und mittlerer Gemeinden in den heutzutage komplexen Beschwerdeverfahren gegen Ortsplanungen nicht mehr zu. Es sind im Gegenteil häufig Einsprechende (wie z.B. Naturschutzverbände), welche über die entsprechenden Ressourcen verfügen.

Art. 41a E-BauG
Grundsätzlich begrüssen wir die Einführung der vorgesehenen Regelung zum besseren Schutz vor trölerischen Eingaben. Die planmässige Verzögerung von Baubewilligungen soll eingedämmt werden. Das ist kein blosser Formalismus: Langwierige Baubewilligungsverfahren sind auch ein wirtschaftlicher Standortnachteil.

Der vorgeschriebene Entwurf sollte aber in folgenden Punkten angepasst werden:

Abs. 1
Es ist grundsätzlich nachvollziehbar, dass erst vor Verwaltungsgericht um Sicherstellung der Parteikosten ersucht werden kann. Allerdings sollte im Wortlaut klargestellt werden, dass es einzig um den Fall der beschwerdeführenden Partei geht, die zuvor Einsprache erhoben hat, welche dann zur Sicherstellung angehalten werden kann.
Sodann sollte bei glaubhaft gemachtem Verzögerungsschaden die Möglichkeit bestehen, Parteikosten sowohl für das Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren als auch für das durchgelaufene Beschwerdeverfahren vor der Direktion verlangen zu können. Das entspricht auch dem klaren Wortlaut der überwiesenen Motion Kropf 313-2015. Nimmt eine Person finanzielle Aufwendungen für ein Verfahren vor Verwaltungsgericht in Angriff, kann just dies dazu führen, dass dann bei Unterliegen die Mittel fehlen, um Parteikosten der Gegenpartei im Vorverfahren zu begleichen. Insoweit ist die in der Motion Kropf erhobene Forderung auch sachlich richtig.

Abs. 3
Die Grenze von CHF 50´000 als Hürde für das Vorliegen eines Schadens, der eine Sicherstellung rechtfertigt, ist zu starr. Ein derartig hoher Betrag führt dazu, dass bei kleineren oder auch mittelgrossen Vorhaben und damit auch beim unteren Mittelstand die Anwendung des Artikels unverständlicherweise in weiten Teilen praktisch ausgeschlossen ist, obwohl gerade auch hier langwierige Verzögerungen weitreichende Nachteile mit sich bringen. Es ist eine Regelung zu finden (z.B. Verhältnis zur Bausumme gemäss Gesuchsformular), die es einem Bauherr ermöglicht, sich auch bei kleineren Vorhaben auf diese Sicherstellung berufen zu können (z.B. ab 25´000, darüber hinaus  5 % der Baukosten).

Abs. 4
Die Verbände in diesem Absatz sind ersatzlos zu streichen. Die vorgeschlagene Privilegierung von Verbänden ist rechtsstaatlich bedenklich und im Übrigen sachlich nicht gerechtfertigt. Die angedeutete Gleichsetzung von statutarisch allgemein gehaltenen Zielen mit Interessen der Öffentlichkeit ist schlicht falsch. Die Verwirklichung öffentlicher Interessen ist Aufgabe staatlicher Behörden. Hat eine Beschwerde in der Tat Aussicht auf Erfolg, brauchen die in der Regel finanziell gutbetuchten Verbände ein (vorübergehendes) Sicherstellungsbegehren nicht zu fürchten.

Art. 41 E-BauG in Beschwerdeverfahren gegen Ortsplanungen (Anregung)
Eine gleichnamige Regelung wie in Art. 41a E-BauG müsste nicht nur bei Beschwerden gegen Baubewilligungen, sondern auch gegen beschlossene Ortsplanungsentscheide (baurechtliche Grundordnung, ÜO) bestehen. Diese Forderung geht einher mit unserer Forderung, dass Gemeinden im Beschwerdeverfahren bei Planungen Parteikostenersatz beanspruchen können (Änderung Art. 104 Abs. 4 VRPG).

Weitere Anregungen
1.    Nach unserer Auffassung müssten künftig auch im Einspracheverfahren gemäss Art. 35 ff. BauG für unterliegende Einsprecher in gewissem Umfang Verfahrenskosten erhoben werden können. Gerade die Einsprache dient heute häufig als Mittel der Verzögerung. Die den unterliegenden Einsprechern zu überbindenden Verfahrenskosten hätten sich dabei grundsätzlich auf die übliche Baubewilligungsgebühr zu beschränken, (d.h. nicht auf Gebühren für eingeholte Fachberichte), und zwar in dem Umfang, als die Einsprache zu Mehraufwendungen führte (Schriftenwechsel, Instruktionsverhandlung). Bei mittellosen Einsprechenden bleibt die Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtspflege vorbehalten. Die heutige Möglichkeit zur Kostenüberbindung für offensichtlich unbegründete Einsprachen gemäss Art. 52 Abs. 3 BewD reicht nicht und bleibt in der Praxis toter Buchstabe
2.    Schliesslich regen wir an zu prüfen, ob bei Beschwerden gegen Ortsplanungen (baurechtliche Grundordnungen, ÜO) nach Erlass der positiven oder negativen Genehmigungsverfügung des AGR anstelle der DIJ künftig eine andere Direktion für verwaltungsinterne Beschwerden zuständig ist. Aufgrund der obligatorischen Vorprüfung und Genehmigung kommt dem AGR eine massgebliche Rolle in solchen Verfahren bereits im Genehmigungsstadium zu. Analog den Beschwerden gegen Baubewilligungsverfahren ausserhalb der Bauzone (Beschwerde bei der BVD gegen Verfügungen des AGR bzw. der Gemeinde) sollte nicht die dem AGR bereits hierarchisch übergeordnete Direktion auch noch als Beschwerdeinstanz amten.

Wir danken abschliessend für eine wohlwollende Berücksichtigung unserer Anliegen.

Freundliche Grüsse

Interessengemeinschaft Ländlicher Raum 

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